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Mit Henriette und Rahel.

TIPP!

Ein Stadtspaziergang führt von den Gräbern berühmter Salonieren und Salonbesucherinnen wie Henriette Herz und Rahel-Leven Varnhagen in den ”Salonkiez” am Gendarmenmarkt. Auch das Knoblauchhaus wird besucht.
So 14 Uhr, Treffpunkt: Haupteingang der Friedhöfe vor dem Halleschen Tor, Mehringdamm 21. Eintritt frei. Anmeldung erbeten.

Ich bin besonders interessiert an diesem Thema, da ich mich zur Gründung eines Bloggerinnen-Salons (Künstlerinnen aus Malerei, Film, Literatur und Kunstwissenschaft) vor einem halben Jahr ausgiebig mit der Historie der Berliner Salons beschäftigt hatte, natürlich auch mit Henriette Herz und Rahel Varnhagen und glaubte mich gut auszukennen. Aber es gab in diesen drei Stunden Spaziergang eine Flut an wichtigen Informationen zur Geschichte der Berliner Salons und weiteren wertvollen Aspekten zu Personen und Orten.
Es hatten sich etwa 30 Menschen bei schönem Wetter versammelt. Gemeinsam liefen wir über den Friedhof zu den Grabstätten der bekannten Salonieren Henriette Herz und Rahel Varnhagen und kamen auch an mehreren Grabstätten der Salonbesucherinnen und –besucher vorbei.

Schadows Berlin (…) es kann in der jetztlebenden Welt keinen schöneren und angenehmern Ort geben (…)

Johann Gottfried Schadow, 1804

 

Die Salonkultur entwickelte sich ab 1600 in Italien und später auch in Frankreich. Diese Vorformen dienten überwiegend der Repräsentation der Macht. In Deutschland kam der Literarische Salon erst im 18. Jahrhundert als Ort bürgerlicher Geselligkeit in Mode, ursprünglich in Imitation der Hofsitten. Die Salons waren nicht politisch engagiert, sondern eher künstlerisch oder literarisch und wurden auch zumeist von Frauen initiiert.
Berühmt wurden die Salons der Frühromantik, zum Beispiel der Berliner Salon der Henriette Herz und der Salon der Rahel Varnhagen.
Voraussetzungen für einen Salon waren die räumlichen Gegebenheiten: ein großes Haus oder ein Stadtpalast. Weiterhin bedurfte es einer „einladenden“ Person. Da die Männer meistens mit ihren Geschäften im bürgerlich-wirtschaftlichen Sinne oder im Hof- und diplomatischen Dienst beschäftigt waren fiel diese Rolle den Frauen zu. Die Frau, die einen Salon führen wollte, musste den wirtschaftlichen Rückhalt ihres Mannes haben. Somit gaben sie mit ihren Salons ihren Männern auch ein höheres Ansehen in der Gesellschaft. Für die Frau war eine umfassende Bildung unabdingbar.

Ehrengrab Henriette Herz

Ehrengrab Henriette Herz         Foto © Roswitha Weber

Wir hatten das Grab der Henriette Herz erreicht. Das Ehrengrab befindet sich in der Abt. 1 an der Zossener Strasse. Ein Kreuz nach einem Entwurf von Schinkel aus schwarz gestrichenem Eisenguss ziert das Grab.
Henriette de Lemos (1764-1847), Tochter des Leiters des jüdischen Krankenhauses in Berlin, ist gebildet erzogen und eignet sich durch extensives Lesen ihr Wissen an. Sie soll eine sehr schöne und hochgebildete Frau gewesen sein.

Henriette Herz als Hebe, die griech. Göttin der Jugend. gemalt von Dorothea Therbusch, 1778. Quelle: Wikipedia

Henriette Herz als Hebe, die griech. Göttin der Jugend. Gemalt von Dorothea Therbusch, 1778.
Quelle: Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15jährig wird sie 1779 mit dem Arzt Dr. Markus Herz verheiratet. Er hat sich als praktischer Arzt niedergelassen und ist aus seinen Studientagen begeisterter Anhänger von Kant. Er hält in seinen Wohnräumen in der Spandauer Straße Vorlesungen über die Philosophie Kants und über Experimentalphysik, auch noch nach seiner Heirat. Seine Frau ist zunächst Zuhörerin, hält aber sehr bald einen zweiten Kreis im Nebenraum ab. Dieser widmet sich mehr literarischen Themen. So entsteht 1780 der Salon der Henriette Herz. In ihrem Salon sind Männer und Frauen vertreten. Dies ist ein besonderes Merkmal der jüdischen Salons. Henriette Herz leistet Pionierarbeit vorwiegend mit den Sturm-und-Drang-Werken Goethes. Damit wurde der Grundstein zum Goethekult gelegt. David Friedländer, Johann Gottfried Schadow und seine spätere Frau Marianne Devidels, Friedrich Schleiermacher (starker Einfluss auf die Entwicklung von Henriette Herz, “Reden über die Religion“), Clemens Brentano, Wilhelm von Humboldt, Alexander von Humboldt, Fürst Radziwill, Graf Tilly, Friedrich August von Staegemann, Friderike Unzelmann, Carl Laroche, Sara Meyer (später Baronin Grotthus), Marianne Meyer (später Marianne von Eybenberg), Dorothea Veit, geb. Mendelssohn (später Dorothea Schlegel), Henriette Mendelssohn, Caroline von Dacheröden waren Salonbesucherinnen und -besucher. Unterschiedliche literarische Strömungen, Epochen und Gesellschaftskreise fanden hier zusammen und es war Henriette Herz’ Verdienst, Kontakte und Freundschaften auch zwischen vielen deutschen und französischen Gelehrten, Künstlern und Wissenschaftlern hergestellt zu haben.

Musikalischer Abend (li. Henriette Herz, am Klavier Abraham Mendelssohn (Zeichnung von Johann Gottfried Schadow, 1764-1850) Quelle: Wikipedia

Musikalischer Abend (li. Henriette Herz, am Klavier Abraham Mendelssohn (Zeichnung von Johann Gottfried Schadow, 1764-1850)       Quelle: Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Das im Jahr 2007 durch das Landesdenkmalamt Berlin und die Varnhagen Gesellschaft restaurierte Ehrengrab der Stadt Berlin ist unser nächster Halt: Rahel Varnhagen von Ense (1771-1833). Es befindet sich im Feld 2 an der Zossener Strasse. Rahel wird als älteste Tochter des jüdischen Bankiers und Juwelenhändlers Markus Levin geboren und hielt um die Jahrhundertwende in Berlin trotz bescheidener Verhältnisse einen Salon, der Mittelpunkt eines Kreises Intellektueller wurde. Man bewunderte ihre geistige Originalität, kritische Urteilsfähigkeit, leidenschaftliche Aufrichtigkeit.

Rahel Levin Quelle: Wikipedia

Ehrengrabstätte Rahel Levin       Foto © Roswitha Weber

Ihr erster Salon (geschlossen 1806) trug zur gesellschaftlichen Stärkung ihrer weiblichen Gäste bei und war ein wichtiger Treffpunkt für die mit der Berliner Romantik in Verbindung stehenden Autoren, Denkern und Musikern der damaligen Zeit, darunter Friedrich Schlegel, Bettina von Arnim, Clemens Brentano, Friedrich Hegel, Heinrich Heine, Ludwig von Tieck, Friedrich von Gentz, Ernst von Pfuel, Jean Paul, Friedrich de la Motte Fouqué, Prinz Louis Ferdinand, dessen Geliebte Pauline Wiesel und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Ihr zweiter Salon (eröffnet 1819 mit ihrem Ehemann, Karl August Varnhagen von Ense) wurde zu einem zentralen Forum für das “Junge Deutschland“, einer in der Restaurationszeit tätigen literarischen Oppositionsbewegung. Ihre Gäste waren unter anderem Mitglieder der Familie Mendelssohn, Heinrich Heine, Eduard Gans, Ludwig Börne, Adelbert von Chamisso, E.T.A. Hoffmann, Achim und Bettina von Arnim, Leopold von Ranke, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und der Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Mehrmals besuchte das Ehepaar Goethe in Weimar. Rahel ist eine typische Vertreterin der im 19. Jahrhundert aufblühenden Frauenliteratur, die kleine, intimere Formen bevorzugt, vor allem die Gattungen Tagebuch, Aphorismus und Brief (rund 6000 Briefe sind bekannt). Ihr brillianter Stil und die politische Weitsicht, auch die Beschreibung historischer und kultureller Vorgänge machen den Wert ihres Schaffens aus. Veröffentlichungen ließ Rahel von ihrem Mann, auch durch ihren Bruder einsenden. Sie blieb anonym. Erst postum wird ein Großteil ihrer Schriften durch ihren Mann herausgegeben. Ihr wichtigstes Ziel war, mit sich selbst identisch zu sein, d.h. Einheit von Denken und Fühlen herzustellen.

Mauerstraße, hier hatte Rahel von Varnhagen ihren Salon Quelle: Wikpedia

Mauerstraße, hier hatte Rahel von Varnhagen ihren Salon           Quelle: Wikpedia

Geselligkeit bei Rahel Varnhagen von Ense  Kolorierte Radierung von Erich M. Simon (1892-1927), undatiert. © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Geselligkeit bei Rahel Varnhagen von Ense    Kolorierte Radierung von Erich M. Simon (1892-1927), undatiert.
© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Später fahren wir zum Gendarmenmarkt. In dieser Umgebung, von Jägerstrasse über Französische Strasse, Unter den Linden, Spandauer Strasse bis Wilhelmstrasse waren in der wesentlichen Zeit von 1780 bis zum 1. Weltkrieg bis zu 90 Salons lebendig. Es gab Salons, die über Einladungen in große Stadtpaläste geführt wurden und auch welche mit freiem Eintritt in bürgerliche Wohnräume oder Künstlerateliers. Sie waren überwiegend künstlerisch oder literarisch geprägt und wurden zu Begegnungsstätten von Adel, Großbürgertum, Intellektuellen und vor allem auch jüdischen Bürgern

Den Abschluss dieses Nachmittags bildet das Knoblauchhaus im Nikolaiviertel. Es ist eines der wenigen erhaltenen Berliner Bürgerhäuser des 18. Jahrhunderts, das einen Eindruck von Salonkultur in den Wohnräumen der Kaufmannsfamilie Knoblauch im Stil des Biedermeier vermittelt. Als Seidenfabrikanten, Architekten und Brauhausgründer prägten sie das städtische Leben Berlins. Auch Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Wilhelm von Humboldt, Christian Friedrich Tieck, Freiherr vom und zum Stein und viele andere Künstler waren hier zu Gast. Gebrauchsgegenstände, Bilder, historische Briefe und Familiendokumente geben Einblick in die spannende Zeit zwischen Napoleons Kriegen und der Revolution von 1848.

Foto © Roswitha Weber

Knoblauchhaus im Nikolaiviertel           Foto © Roswitha Weber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geführt hat Frau Kerstin Bragenitz.

Wunderbar und sehr informativ!!! Herzlichen Dank!!!

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